von Celina Bittger, Farina Tolksdorf

In den vergangenen Jahren haben Weiterbildungsangebote im Kontext der transdisziplinären Forschung eine immer größere Bedeutung erlangt. Im Rahmen verschiedener Formate wie Workshops, Webinar-Reihen, Kurse, Vorträge oder weiteren werden bestehende Herausforderungen dieses Forschungsmodus adressiert und konkrete Fähigkeiten vermittelt. Dabei spielt neben den jeweiligen Inhalten vor allem deren Qualität eine entscheidende Rolle. Im folgenden Beitrag werfen wir daher einen Blick auf die Erkenntnisse aus der ersten Phase der tdAcademy und geben einen Ausblick für die künftige Gestaltung von Weiterbildungsangeboten für transdisziplinäre Forschung.

Systematisierungskonzept für Weiterbildungsangebote

Um das vielfältige Angebot an Weiterbildungen in transdisziplinärer Forschung systematisch zu erfassen und Bedarfe und Lücken zu erkennen, erarbeitete die Themenlinie 3 der tdAcademy ein vorläufiges Systematisierungskonzept. Dazu wurden während zweier Zeiträume im September 2021 und im März 2023 systematisch bestehende Angebote tabellarisch erfasst und ausgewertet. Die Erhebungen zeigen, dass die Anzahl an Angeboten von Weiterbildungen, gerade im deutschsprachigen Raum im Vergleich beider Zeiträume angestiegen ist. Die ausgewerteten Angebote stammten überwiegend von europäischen Institutionen.

Reflexionsrahmen für die Qualitätsprüfung von Weiterbildungsangeboten

Im nächsten Schritt wurde ein Reflexionsrahmen entwickelt, mithilfe dessen die Gestaltung von Weiterbildungsangeboten für transdisziplinäre Forschung anhand einheitlicher Qualitätskriterien erfolgen kann.

Folgende Daten wurden dabei einbezogen:

  • Literatur zu Qualitätskriterien von Weiterbildungsangeboten aus anderen Bereichen, z.B. der beruflichen Weiterbildung
  • Das bestehende Systematisierungskonzept der tdAcademy
  • Empirische Arbeiten der TL 3 der tdAcademy (Seidel, 2023; Tolksdorf et al., 2023)
  • Ergebnisse aus verschiedenen Workshops mit unterschiedlichen Zielgruppen der tdAcademy
  • Diskussion der Ergebnisse mit Anbieter*innen von Weiterbildungen für transdiziplinäre Forschung, organisiert durch die tdAcademy

Der Reflexionsrahmen stellt praxistaugliche Leitfragen zur Entwicklung von Weiterbildungsangeboten vor. Damit kann er zur Diversifizierung und Qualitätssicherung von Weiterbildungsangeboten genutzt werden, indem er insbesondere ihre kontextsensitive und bedarfsorientierte Gestaltung fördert.

Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass Weiterbildungsangebote zum einen sehr divers sind, sich aber darin ähneln, dass sie Kompetenzen auf drei unterschiedlichen Bildungs- oder Lernebenen stärken möchten.

Die individuelle Ebene zielt auf die einzelne Person ab, etwa Forscher*in oder Praxispartner*in. Dabei werden etwa konkrete Forschungsmethoden vermittelt oder Angebote zur Förderung der Reflexivität der eigenen Forschung oder Praxis bereitgestellt.

Auf der Projektebene werden beispielsweise methodische Ansätze wie formative Evaluation oder Themen wie Teamzusammenstellung angeboten, die hilfreich für die Prozessentwicklung der transdiziplinären Forschung sind.

Auf kollektiver Ebene schließlich geht es um den Wissenstransfer zwischen Projekten, Institutionen und Kontexten, zum Beispiel durch Austauschformate, organisiert duch Plattformen wie die tdAcademy.

Weiterhin schlägt der Reflexionsrahmen drei Reflexionsfelder jeweils mit unterstützenden Leitfragen vor:

Reflexionsfeld

Beispiele für Leitfragen

Zu vermittelnde Inhalte

 

  • Entspricht das Angebot den Bedürfnissen der jeweils anzusprechenden Wissens-Community?
  • Wie wurde der thematische Fokus des Angebotes entwickelt und begründet?
  • Welche Angebote mit ähnlichem thematischem Fokus gibt es bereits?

Umsetzung eines Angebots

 

  • Wurden Prinzipien für die Ko-Produktion von Wissen (kontext-spezifisch, zielorientiert, plural, interaktiv) nach Norström et al. 2020 in der Methodik des Weiterbildungsangebot berücksichtigt? 
  • Welche Barrieren gibt es bei der Anmeldung zum Weiterbildungsangebot? (z.B. Zeitpunkt, Barrierefreiheit, etc.)
  • Wie wird erreicht, dass diverse Zielgruppen angesprochen werden?

Lerneffekte

 

  • Werden die Lernziele des Angebots vor der Durchführung transparent kommuniziert?
  • Wie wird Feedback so gestaltet, dass Aussagen darüber möglich sind, ob die Teilnehmenden die angestrebten Kompetenzen und Fähigkeiten erlernt haben?
  • Inwiefern wurden die Ergebnisse und Lerneffekte evaluiert, z.B. in Form von Follow-up-Erhebungen?

Fragen für die Zukunft der Weiterbildungsangebote

Im Austausch mit Anbieter*innen von Weiterbildungsangeboten im April 2023 wurden diese und weitere Fragen anhand des Reflexionsrahmen diskutiert. Dabei zeigte sich, dass zwei Punkte von besonderer Aktualität sind:

Die bessere Integration transdisziplinärer Angebote in die Hochschullehre: Dies erfordert noch viel Überzeugungsarbeit, wozu es Austauschräumen und den strukturierten Erfahrungsaustausch zwischen Anbietenden und Teilnehmenden braucht. Zur Unterstützung könnten die systematische Sammlung und Bereitstellung von best practice-Beispielen dienen. Weiterhin scheinen der Einsatz von Gamification-Elementen und die Einbindung von Fallbeispielen aus der Praxis als methodische Ansätze für die Förderung von Weiterbildungen in der Hochschullehre geeignet zu sein.

Weiterentwicklung und Nutzung des Reflexionsrahmens für künftige Weiterbildungsangebote im Kontext transdisziplinärer Forschung:

Der bestehende Entwurf kann erprobt und weiterentwickelt werden, um perspektivisch zur Qualitätssicherung in der Weiterbildung zu dienen. Dies betrifft neben der Hochschullehre auch weitere Angebote für verschiedene Zielgruppen. Dabei scheint insbesondere die Frage nach einer stärkeren Einbindung von Teilnehmer*innen aus Ländern des Globalen Südens stärker an Interesse zu gewinnen. Da sich die multi-, inter-, und transdisziplinäre Forschung innerhalb des Westlichen akademischen Systems entwickelt hat, waren sich die Teilnehmenden des Workshops einig, dass künftig stärker reflektiert werden sollte, inwieweit vermittelte Kenntnisse und Kompetenzen in unterschiedlichen (kulturellen) Kontexten angewandt werden können. Auch die kontinuierliche Reflexion der eigenen Rolle als Forschende*r im Rahmen der Ko-Produktion von Wissen sei hierbei besonders wichtig.

Diese und weitere Fragen werden auch weiterhin sowohl innerhalb der tdAcademy eine Rolle spielen und im Austausch sowohl mit transdiziplinär arbeitenden Forscher*innen und Praxispartner*innen wie auch Anbieter*innen von Weiterbildungsangeboten diskutiert werden.

Die hier zusammengefassten Erkenntnisse aus der Analyse der Weiterbildung sollen ein Grundstein für die kommende Arbeit in der zweiten Phase der tdAcademy sein und können auch von der neu gegründeten Fachgesellschaft für transdisziplinäre und partizipative Forschung weitergeführt werden.

Referenzen

Norström, A.V., Cvitanovic, C., Löf, M.F. et al. Principles for knowledge co-production in sustainability research. Nat Sustain 3, 182–190 (2020). https://doi.org/10.1038/s41893-019-0448-2

Seidel, T. (2022). Context dependencies in transdisciplinary sustainability research: Perspectives of practitioners on context and capacity-building for context-sensitive research [Unpublished Master’s thesis]. Leuphana Universität Lüneburg, Germany, Arizona State University, USA.

Tolksdorf, F. L., Weiß, M., Jiménez-Aceituno, A., Amoah, N. A. B., Lam, D. P. M., Lang, D., Grauer, C., Baird, J., Ballnat, C., Horcea-Milcu, A.-I., König, B., Laycock Pedersen, R., Máñez, M., Manuel-Navarrete, D., Martin, D. A., McGlynn, B., Mehring, M., Mühltaler, S., Schneider, F., … Weiser, A. (2023). Why context matters: Disentangling 9 context factors that influence transdisciplinary research.